Marketingberatung im stationären Lebensmitteleinzelhandel

Sind 100 neue Follower viel oder wenig? Warum macht es Sinn, Bestände nicht nur punktuell zu bewerten? Und wofür braucht man eine Website, wenn man keinen Online-Shop möchte?

English version

Marketing im stationären Lebensmitteleinzelhandel und gerade für kleine Unternehmen ist ein Abenteuer für sich. Seit Herbst 2020 darf ich den Weingarten in Havixbeck im Marketing begleiten, einen kleinen Weinladen in meinem Heimatort. Ein spannendes Beispiel dafür, wie Marketing auch im kleinen Maßstab funktioniert und was passiert, wenn Theorie auf Praxis trifft.

Wir schreiben den Herbst 2020. Um uns herum wütet Corona auf ein Neues und im charmanten Lokal des Weingartens sitzen Inhaber und Marketingmann zusammen, um über die zukünftige Zusammenarbeit zu sprechen. In 25 Jahren hat sich Der Weingarten zu einer Institution im Ort etabliert. Bekannt für eine entspannte Atmosphäre und einen lockeren Umgang mit dem Produkt; das lebende Beispiel dafür, dass Weingeschmack nicht von Kennern und vermeintlichen Experten, sondern allein vom Kunden geprägt wird.

Strategie und Ziele?! Wofür das denn?

Am Anfang steht die Erkenntnis: Wir nutzen Facebook hin und wieder, haben eine Website. Aber für alles zu wenig Zeit. Externe Unterstützung ist gefragt, um hin und wieder zu helfen. Doch bevor einzelne Maßnahmen diskutiert werden, bremst der Marketingmann immer wieder ab. Allem voran sollen Strategie und Ziele stehen. Was soll erreicht werden? Insgesamt und natürlich auch für die Kommunikation sind Ziele gefragt, damit beide Seiten wissen, wohin die Beratungs-Reise geht. Mit welcher Strategie sollen sie erreicht werden? Schon hier prallen die Welten von Theorie und Praxis aufeinander. Doch nach einem verbindenden Glas Wein wird klar: Natürlich gibt es Strategie und Ziele. Sie werden nur selten verbindlich ausformuliert.

Gemeinsam erarbeiten wir, dass kompetente Beratung ohne Allüren und mit klarem Fokus auf den Kundengeschmack im Mittelklasse-Segment gelebte Strategie ist. Dem Ziel, den Stellenwert des über Jahrzehnte aufgebauten stationären Geschäfts zu erhalten und weiter auszubauen wird man so schon lange gerecht. Das wird auch die weitere Zusammenarbeit und die vor allem die Kommunikation prägen.

Warum online kommunizieren, wenn das Geschäft offline stattfindet?

Sortiment und Preise, auch der Standort, alles richtet sich schon heute wunderbar danach aus, für jeden Kunden den passenden Wein zu finden. Zielgruppe sind vor allem die Weintrinker und -schenker, die sich nicht auf eigene Faust durch Supermarktregale probieren oder auf große (und teure) Namen vertrauen wollen. Hier wird niemand für den Wunsch nach lieblichen Weinen schief angeguckt. In der großen Auswahl trockener Weine machen Kenner ständig neue Entdeckungen. Auch wer seinen Geschmack nicht einzuordnen weiß, wird durch kompetente Beratung bald fündig. Das alles soll nun auch in der Kommunikation präsenter nach vorn gebracht werden.

Da ein Onlineshop nicht geplant ist wird klar, dass jegliche Kommunikation Ladenbesuche und stationäre Verkäufe zum Ziel hat. Wir setzen dennoch auf Online-Kommunikation. Der Facebook-Kanal ist etabliert und spricht genau die richtige Zielgruppe an. Die Website bietet alles, was für eine gelungene Kommunikation erforderlich ist. Der Newsletter hat noch eine geringe Reichweite, bietet aber Potenzial. Zusätzliche Kanäle? Wir fokussieren uns darauf, die bestehenden Kanäle auszubauen. Mit kleinem Budget und überschaubarem Aufwand verknüpfen wir das alles zu einem professionellen Kommunikationsgerüst.

Und wann wird endlich gepostet?

Facebook wird unser Hauptkanal. Um auch mal mehr erzählen zu können und um die Website als Anlaufpunkt weiter zu etablieren, platzieren wir auch dort Content und verbreiten ihn über die Facebook-Seite und den Newsletter. Nicht immer, nicht zu oft. Facebook mag keine externen Verlinkungen. Uns helfen sie aber manchmal mehr als Bildposts mit kurzem Text. Die Kombination wird zum Erfolgsrezept und bietet immer auch Inhalte, mit denen wir dem Newsletter regelmäßig ein wenig Leben einhauchen. Wir erzählen von unseren Rosé-Empfehlungen für den Frühling, Weineinkauf unter Corona-Bedinungen, und einer Winzerfamilie im Minervois.

Dabei ergeben sich spannende Lerneffekte. Da Facebook kontinuierlich am Algorithmus arbeitet performen vergleichbare Posts sehr unterschiedlich. Oft bringt ein Bild-Post mit Werbebudget weniger, als ein in Gruppen geteilter Link. Dann wieder geht ein Bild ganz ohne Hashtags durch die Decke, obwohl zu dem Zeitpunkt alle Facebook-Experten kolportieren, nur noch mit Hashtags würde ein Post zum Erfolg. Wir halten es am Ende so, wie auch in der Beratung im Laden: Wir machen, was dem Kunden gefällt. Spannende Artikel zu passenden Themen auf der Website verbinden wir mit aktuellen Angeboten und Blicken hinter die Kulissen.

Lohnt sich der Aufwand?

Lassen wir die Ergebnisse für sich sprechen. Wir reden von 40% mehr Followern in 9 Monaten. Von einer Verdreifachung der Reichweite. Was in absoluten Zahlen wiederum eher ernüchternd klingt: 350 Follower im Juli 2021 und eine monatliche Reichweite von rund 800. Nicht vergessen, wir reden von einem kleinen stationären Einzelhändler in einem Dorf mit 12.000 Einwohnern. Vor allem aber war das Ziel nicht, riesige Reichweiten aufzubauen. Das hätten wir anders gemacht.

Das Ziel war, die Umsätze im Laden zu erhöhen und Kunden in den Laden zu bringen. Das ist gelungen. Denn dass Kunden gezielt nach den beworbenen Produkten fragen, wird immer mehr. Angebote erhalten eine ungewohnte Bekanntheit. „Ich habe bei euch auf Facebook von diesem interessanten Wein gelesen, den will ich mal testen“, so oder so ähnlich sprechen Kunden immer öfter.

Wie kann Marketing kleinen Unternehmern noch helfen?

Über die Kommunikation lief der Einstieg. Mittlerweile sprechen wir auch über andere Themen, wie etwa das Sortiment. Natürlich sind Verkaufszahlen bekannt und wer jeden Tag im Laden steht, kennt die Beliebtheit der Produkte. Doch erst mit einer Analyse der Bestellungen und Verkäufe ergaben sich handfeste Argumente, einige Produkte hervorzuheben und andere zu streichen. Bestellmengen lassen sich viel besser planen, wenn der Abfluss im Zeitverlauf beobachtet wird. Und auch in der Sortimentsplanung hat es sich bewährt, hin und wieder ein kleines Gespräch zu führen.

Der Weingarten hat sich über 25 Jahre etabliert, hier lief schon lange sehr vieles richtig. Einen kleinen Teil dazu beigetragen zu haben, das Geschäft ein wenig weiter zu professionalisieren, freut mich sehr. Und 100 neue Follower in 9 Monaten zeigen hier, dass der Plan aufgeht. Weiter so!